25.03.2013

Schriftsteller-Zeichnungen


Ich finde es interessant, wenn Schriftsteller zeichnen. Damit meine ich nicht Zeichner, die schriftstellern, wie Walter Moers oder Cornelia Funke, sondern Schriftsteller, die ihre Werke nicht selbst illustrieren, aber trotzdem einen Drang verspürt haben, ihren Charakteren eine visuelle Gestalt zu geben.

J. K. Rowlings Harry Potter hat schon fast das Niveau einer professionellen Illustration. Am besten gefällt mir der kleine Wurf in der Teppichkante vor Harrys rechtem Fuß.






Das Schöne an diesen Zeichnungen ist, dass sie oft nicht ganz perfekt sind, aber mit Leidenschaft und viel Verständnis für den Gegenstand angefertigt wurden. Kein Wunder: Wer wüsste besser über sein Werk Bescheid als der Autor bzw. die Autorin.































Diese Zeichnung von Umberto Eco mit Figuren aus seinem Buch Der Name der Rose gefällt mir
besonders gut. Der alte Mönch in der Vierergruppe unten rechts ist sehr ausdrucksvoll. Lustig finde ich auch die Zeichnung des Abtes, den Eco an den rechten Rand gequetscht hat. Welcher Illustrator würde so etwas wagen. Ob die Zeichnung eine Gedächtnisstütze während der Arbeit an dem Roman war, weiß ich nicht, aber es ist ganz deutlich, dass Eco charakteristische Züge der Figuren einfangen wollte.
Die Zeichnung ist diesem Buch entnommen.


Besonders viel gezeichnet hat J. R. R. Tolkien. Zum Hobbit und zur Herr der Ringe-Trilogie existieren viele Bilder, meistens von Schauplätzen. Tolkiens Zeichnungen tragen zum Teil den Charakter visueller Notizen. Andere Bilder kann man als Illustrationen verstehen wie zum Beispiel diese Darstellung der Hobbit-Höhle. Eine frühe Ausgabe des Hobbit zeigt eine Illustration von Tolkien auf dem Umschlag. 



Tolkiens Bilder mit denen professioneller zeitgenössischer Illustratoren zu vergleichen ist interessant. In den kommenden Tagen werde ich darum einige Bilder von Tolkien zusammen mit anderen Illustrationen zeigen, die jeweils dieselben Motive darstellen.




Eine echte Entdeckung waren für mich vor Kurzem die Bilder von Hugh Lofting zu seinen Kinderbuchklassikern um Dr. Doolittle, den Arzt, der die Sprache der Tiere verstehen kann. 

Loftings Bilder sind zwar liebevoll, aber letztlich recht naiv gezeichnete Illustrationen, die auf den ersten und auch noch auf den zweiten Blick unprofessionell wirken. Das war jedenfalls lange Zeit mein Eindruck. 

Die Komposition dieser Zeichnung (oben) beispielsweise ist irgendwie sperrig. Der Türrahmen wirkt sehr minimalistisch und passt nicht zu dem Detailreichtum der Kleidung (Hosenträgerhalter). Warum ist keine Tür vorhanden, obwohl es ein vergittertes Fenster gibt? Die offensichtlich gut beobachtete Anatomie der beiden Tiere vorne passt nicht zu dem stilisierten Affen. 

Dass sich die Linie des rechten Türrahmens in der Kiste fortsetzt ist ebenfalls ungewöhnlich – ein Illustrator hätte die Kiste mit Sicherheit anders platziert. Und den Schwanz des Affen hätte er sicher auch nicht am Türrahmen enden lassen als wenn er keine Sonne abbekommen dürfte. 

"Fehler" dieser Art finden sich in fast allen Bildern Loftings. Interessanterweise wurden sie aber trotzdem von Anfang an, also seit 1920, als Illustrationen in den Romanen verwendet. 
Sie müssen damals schon einigermaßen avantgardistisch gewirkt haben, denn den Standard amerikanischer Kinderbuchillustration bildeten eher Bücher mit Bildern die so aussahen...



Das Bild stammt aus dem Buch Language Lessons for Little People von John Morrow, erschienen 1912. Eine typische Zeichnung des sogenannten Golden Age amerikanischer Illustrationen, ein von heutigen, realistisch arbeitenden Illustratoren gepriesenes "Zeitalter" das in den Zwanziger Jahren endete. Die Szene ist sehr ähnlich wie die der Lofting-Zeichnung (und übrigens auch wie die der ersten Tolkien-Zeichnung): Man sieht frontal auf eine Raumöffnung mit Figuren im Vordergrund. Und trotzdem ist das Bild völlig anders als Loftings Illustration. Professioneller, wirklichkeitsgetreuer, illusionistischer.

Warum der Anti-Illusionismus in Loftings Bilder trotzdem einen großen Reiz auf mich ausübt, darüber werde ich demnächst einige Blogbeiträge schreiben.

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