24.02.2013

Linien und Flächen

Ich nehme meinen vorletzten Beitrag noch einmal als Anlass, etwas über Illustrationen der 50er Jahr zu schreiben.Vor einiger Zeit fand ich ein Buch von Miroslav Sasek im Antiquariat: Der Titel lautet schlicht: "Paris". Es handelt sich um einen Reiseführer für Kinder, der nicht mit Fotos, sondern mit Malereien illustriert wurde, was aber erstaunlich gut funktioniert. Sasek schrieb und illustrierte eine ganze Reihe dieser Bücher über verschieden Städte (Honkong, New York, San Francisco, München etc.) Das Paris-Buch erschien Ende der 50er Jahre. Ein typisches Gestaltungsmerkmal aus diesen Jahren ist eine bestimmte Behandlung von Linien und Flächen. Auf der Illustration links, die Künstler auf dem Montmartre zeigt, sieht man die flächig angelegten Kleidungsstücke und Hauswände und im Gegensatz dazu die Linien der Fenster, Türen, Leinwände und Staffeleien, die keine Konturlinien sind, sondern eigenartig unabhängig von den Flächen wirken. Noch deutlicher wird diese Trennung von Flächen und Linien in einem Tapeten-Design, das man unten sieht. Abgesehen von der blattähnlichen Form führen Linien und Flächen hier ein relativ unabhängiges Eigenleben. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise versucht man als Künstler ja die Gestaltungsmittel in eine einheitliche Form zu bringen, aber hier ist die Trennung zwischen Flächen und Linien sehr bewusst vollzogen worden. Wie die nachträgliche Vervollkommnung eines Scherenschnitt-Bildes durch Linien. Der selbe Eindruck entsteht auch bei dem Design des dritten Beispiels. Es stammt von einer website, die Bilder aus Filmen des Animationsstudios UPA zeigt. Die Beine des Pferdes sind – ästhetisch gesehen – aus einer anderen Welt als der Rest des Tieres.











Die nächsten Bilder zeigen, dass dieses Gestaltungs-Prinzip – Flächen und Linien als voneinander unabhängige Bildelemente aufzufassen – in der Kunst schon lange vor den 50er-Jahren Anwendung fand.






1934 entstand dieses Bild von Raoul Dufy. Auch hier stehen viele Striche unabhängig auf der blauen Fläche. Noch älter – von 1913 – ist dieses Bild von Georges Braques ...





In Braques Bild wird deutlich, woher das Gestaltungsprinzip Strich und Fläche voneinander zu trennen ursprünglich stammen könnte: Die Flächen werden hier zum Teil von collagierten Elementen gebildet, die durch eine Zeichnung ergänzt wurden. Es ist beachtenswert, wie souverän Braque das Musikinstrument über die Farbflächen legt – ganz ohne Kolorierung. Und viele Jahrzehnte vor den 50er Jahren, mit denen man dieses Stilprinzip wohl am ehesten verbindet.

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